Feierlichkeit zum 100-jährigen Bestehen der sozialen Rechtsberatungsstelle 08.11.2018

100 Jahre Rechtsberatung des Frankfurter Anwaltsvereins e.V.

Skizzen aus 100 Jahren soziale Rechtsberatung in Frankfurt am Main

Ein Streifzug aus 100 Jahren soziale Rechtsberatung des Frankfurter Anwaltsvereins.

Einhundert Jahre:

Ein Jubiläum, das zu einer kurzen Betrachtung der Entwicklung dieser Einrichtung in den letzten 100 Jahren Anlass gibt.

Den Traditionen der Frankfurter Anwaltschaft als Ganzes entspricht es, dass der Frankfurter Anwaltsverein sich um die rechtliche Beratung sozial Schwacher bemüht.

So hatte bereits im Jahre 1908 der Vorstand des Frankfurter Anwaltsvereins beschlossen, Sprechstunden zur Erteilung von Rechtsauskünften für Unbemittelte einzurichten.

(vgl. hierzu: Matthaei, Rechtsauskunft für Unbemittelte, Deutsche Juristen-Zeitung 1908, Seite 335 ff, 339).

Nach dem Ende des 1. Weltkriegs im November 1918 wurde dieser Beschluss von Dr. Hermann Stolting in die Tat umgesetzt.

Er baute eine Rechtsberatungsstelle auf, die großen Zuspruch fand und rege aufgesucht wurde.

Hier wurde jedem Rechtsuchenden bei der Verfolgung seiner Rechte geholfen, angefangen bei Soldatenwitwen bis hin zu den von der Inflation ruinierten Angehörigen des Mittelstandes und später den Arbeitslosen.

(vgl. hierzu: Die Frankfurter Rechtsanwaltschaft 1888-1988 – Barreau mit Bürgersinn – in : Studien zur Frankfurter Geschichte 27, Seite 301 ff , 305, 306; Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1989).

An welchem Ort oder in welchem Raum im Justizzentrum die Beratungen stattfanden, ist nicht überliefert.

Die Rechtsberatungsstelle des Frankfurter Anwaltsvereins ist inzwischen zu einer festen Institution der Frankfurter Anwaltschaft für die Bürgerinnen und Bürger ihrer Stadt und weit darüber hinaus geworden.

Sie erfüllt eine soziale Funktion, die ehrenamtlich von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten wahrgenommen wird.

Sie dient als schneller und unbürokratischer Wegweiser vor allem für sozial Schwache, die juristische Hilfe suchen.

Der Raum 108 im Gebäude B, Gerichtsstraße 2, 60313 Frankfurt am Main, ist die wohl am häufigsten aufgesuchte Stelle in den fünf Frankfurter Gerichtsgebäuden.

Jährlich werden mehrere Tausend Beratungen erteilt. Im Jahre 2017 lag die Zahl der Erstberatungen bei ca. 4.000.

Sprechzeiten sind montags bis freitags von 9:30 bis 11:45 Uhr. Donnerstags durchgehend von 9:30 bis 14:00 Uhr.

Jeweils zwei Rechtsanwältinnen /Rechtsanwälte beraten ehrenamtlich.

(vgl. hierzu: die Homepage des Frankfurter Anwaltsvereins unter
www.frankfurter-anwaltsverein.de)

Im Jahre 1933 wurde sofort nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten der Frankfurter Anwaltsverein aufgelöst. Mit ihm auch die Rechtsberatungsstelle.

Sogleich nach 1945 richtete die Frankfurter Anwaltschaft wieder eine soziale Rechtsberatungsstelle ein, die nach der Wiedergründung des Frankfurter Anwaltsvereins im Sommer 1949 auf diesen übertragen wurde.

Die „Diensteinteilung für die Rechtsanwälte bei der Rechtsbetreuungsstelle der Frankfurter Anwaltschaft“ im Dienstbuch Nr. 1 ff. liegt ab 2. Januar 1946 vor.

Daraus geht hervor, dass die Rechtsberatungsstelle in den ersten Jahren von Rechtsanwalt Ernst Engel organisiert und betreut wurde.

Sie befand sich im „Altbau des Gerichtsgebäudes“ ( Gebäude A) Gerichtsstraße 1, Zimmer 1.

Eingeteilt wurde täglich 1 Rechtsanwalt oder 1 Rechtsanwältin. Die Ladung erfolgte kurz und bündig zum „ Dienst von 9 ½ bis 12 ½.“

Von 1949 bis 1984 stand die Rechtsberatungsstelle unter der Regie von Frau Lieselotte Seidel (früher Schreiber), genannt : „die Schreiberin“. Sie war quasi die „Seele vom Ganzen“

Und betreute zugleich die Geschäftsstelle des Frankfurter Anwaltsvereins.

Beides befand sich jetzt im Gerichtsgebäude B, Raum 169, direkt neben dem Anwaltszimmer.

In Frau Seidels Fußstapfen trat Frau Nora Schneider.

Sie war 30 Jahre lang ab 1. Januar 1985 bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand am 30. April 2015 als Geschäftsführerin des Frankfurter Anwaltsvereins u.a. auch für die Organisation der Rechtsberatungsstelle verantwortlich.

Ihre Nachfolgerin ist Frau Bianca Reuter, die von Frau Lisa Sekanina als Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle unterstützt wird.

Einmal geriet vorübergehend der Verbleib der sozialen Rechtsberatung in der Verantwortung des Frankfurter Anwaltsvereins in Gefahr:

Die Stadt Frankfurt wollte die gesamte Rechtsberatung für sozial Schwache im Jahre 1977 in eigene – kommunale – Regie übernehmen und in den Römer verlagern.

Der Ausgang der Kommunalwahl 1977 hat das verhindert:

Die Pläne verliefen im Sande.

Frankfurt am Main, 8. November 2018
Heide Krönert-Stolting, Rechtsanwältin i.Rr