Berlin (DAV). Der 13. Deutsche Insolvenzrechtstag (09. – 11. März 2016 in Berlin) steht vor allem im Zeichen der Neuregelungen im Anfechtungsrecht. Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) kritisiert die geplante Bevorzugung einzelner Gläubigergruppen, insbesondere der öffentlichen Hand. Dies wird deutlich bei der Änderung der Anfechtungsregelungen für Zwangsvollstreckungen. Die Privilegierung von Zwangsvollstreckungen aus selbstgefertigten, also nicht gerichtlichen, Titeln dient vor allem dem Fiskus und den Sozialversicherungsträgern. Auch die Harmonisierung des Insolvenzrechts im Hinblick auf Überlegungen der EU bringt neue Herausforderungen.
„Mit dem Regierungsentwurf räumt sich die öffentliche Hand letztlich selbst unberechtigte Privilegien ein. So erhalten der Fiskus und die Sozialversicherer einen verbesserten Zugriff auf die letzten Vermögenswerte “, begründet Rechtsanwalt Dr. Martin Prager, Vorsitzender der DAV-Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung die Kritik. Damit stünden der Fiskus und die Sozialversicherungsträger zulasten aller anderen Gläubiger besser da. „Dadurch wird auch die Chance der Sanierung erschwert“, so Prager weiter.
Grundsätzlich gilt durch das Anfechtungsrecht: Der Insolvenzverwalter kann Rechtshandlungen anfechten, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen werden und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Die Koalition hatte sich darauf geeinigt, das Anfechtungsrecht auf den Prüfstand zu stellen. Die Planungssicherheit des Geschäftsverkehrs sowie das Vertrauen der Arbeitnehmer in die Auszahlung der Löhne sollten dabei im Mittelpunkt stehen. Das war Ausgangspunkt des Regierungsentwurfes.
Die institutionellen Gläubiger können nach dem Entwurf aber in Zukunft ohne Sanktionen die letzten Vermögenswerte eines Schuldners an sich ziehen. Das erfolgt auf dem Rücken der übrigen Gläubiger, vor allem der Arbeitnehmer und Kleingläubiger. Die Regelung würde damit das grundlegende Ziel der Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzen. „Wenn der Gesetzgeber tatsächlich eine solche Bevorzugung wünschen sollte, könnte er letztlich auch das abgeschaffte Fiskusprivileg wieder einführen“, warnt Prager. Dieses sei aber aus guten Gründen abgeschafft worden. Das Gedankenspiel demonstriere, welchen Rückschritt gegenüber früheren Insolvenzordnungen der Gesetzgeber plane.
Auch das „Bargeschäftsprivileg“ spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Nach dem Willen der Regierung sollen Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge, die innerhalb von drei Monaten ihrer Fälligkeit bezahlt werden, anfechtungsfrei sein. Die Beträge aus diesen Zahlungen, die häufig zur wirtschaftlichen Grundlage der Insolvenzverfahren beitragen, würden dann nicht für die Verfahren zur Verfügung stehen. Eine Konsequenz daraus könnte ein Rückgang bei den Eröffnungen von Insolvenzverfahren sein.
„Das Insolvenzverfahren würde dann seiner Ordnungsfunktion nicht mehr gerecht werden“, befürchtet Prager die Auswirkungen der Neuregelungen im Anfechtungsrecht. Auch die Möglichkeit, anfechtungsfreie Maßnahmen mit selbstgefertigten Titeln durchzuführen, hat eine Folge: Weniger Insolvenzverfahren werden eröffnet, denn durch Vollstreckungsmaßnahmen vor den Verfahren bleibt wenig übrig, was im Verfahren noch verteilt werden kann. Durch weniger Verfahrenseröffnungen entfallen zunehmend das Aufspüren und Korrigieren von Unregelmäßigkeiten. Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften müssten diese Aufgabe übernehmen.
Die voranschreitende Verzahnung mit europäischem Recht spielt auch im Insolvenzrecht eine große Rolle. Darauf zielte auch Prager ab, als er in seiner Rede zur Eröffnung den Einfluss Europas auf die Tagesarbeit der Insolvenzrechtsanwälte hervorhob. Die Europäische Kommission verfolgt zum Beispiel ein insolvenzrechtliches Harmonisierungsvorhaben. Der DAV fordert, dass sich die Europäische Kommission dabei zunächst auf das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren beschränken sollte.
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